H.A. Sigg, ein stiller maler. ein maler der stille.

alles fliesst

neunzig jahre hermann alfred sigg. der
bauernbub, der maler wurde. siebzig jahre
malerei. bis jetzt.
siebzig jahre lang ist farbe geflossen.
bis jetzt. die flüsse, die sein werk durchlaufen,
noch viel länger. wie sollte die viel
bemühte heraklit-maxime nicht zutreffen?
flüsse bestimmen dieses werk, dieses
schaffen fliesst nun seit sieben jahrzehnten,
ohne unterbruch, ohne zäsur. es fliesst in
sanften mäandern, vermeidet wechselfälle,
bildet keine strudel, bewegt sich in ruhigen
bahnen, grossen gemächlichen strömen.
man hat diesen zustand medidativ genannt.
zunehmend bewegt es sich auch ausserhalb
der bekannten kunstzonen, immer mehr hat
es sich seine eigene geografie geschaffen.
waren es lange die grossen weltkulturen, die
es gleichsam eingefasst hatten, von indien
nach indonesien nach china, haben seine
«recent works» solche konnotationen verlassen.
die bilder sind ganz bei sich selber angelangt.
bildzeichen – bildträume. nicht mehr,
nicht weniger. autonome, abstrakte malerei.
oder soll man sie gar «autochton» nennen
und damit benennen, dass es sich um dabei
um ein eigenes reich handelt?
ein reich der farbe und ein reich der fläche.
wie die nabis, jene französische kunstform
der jahrhundertwende, die im frühen bonnard
und vuillard gipfelte und in maurice denis
ihren exegeten fand, der das bild als bemalte
fläche definierte, ist sigg’s bildwelt zuerst
farbe auf fläche. Von seinen kleinformatigen
pariser anfängen um 1950 verläuft eine
entwicklung bis zu den grossen leinwänden
wie «within the red» oder «daydream» (um
2010). dabei strahlt das dekorative einen
glanz und luxus, eine aura aus, die man gut
zwischen matisse und rothko ansiedeln
kann. sigg’s farbsinn ist ebenso kultiviert
wie der «french taste».
dabei mangelt seinem werk keineswegs existentielle
tiefe. nur ist sie weniger in einer
lebenstragik begründet als in einer lebensfreudigen
heiterkeit. ein weiser mann, ein
stiller maler. ein maler der stille, ja, ein maler
(fernöstlicher) weisheit.
das leichte, das so schwer zu machen ist.
er schafft es mit einem lächeln, spöttischem
witz und einer grossen portion von understatement,
die einen jung gebliebenen «ewigen
» maler auszeichnet, der sich seines
werks sicher ist.
gut, es zu sehen.
ein werk, das für die augen harmonisches
wohlbefinden bedeutet und für die seele
labsal.

 

guido magnaguagno

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