Uros Djurovic

Uros Djurovic
Breit und hingestreckt liegt das Weichbild in den Randzonen der Stadt. Kein Kern und keine Mitte
findet sich hier. Die Stadt, die sich gern seßhaft gibt, streckt verschämt ihre Tentakel ins
Nirgendwo hinaus und wird sich selbst zum unbehausten Rätsel.
Nirgendwo ist diese Landschaft ganz bei sich selbst. Menschen stapfen tagtäglich darin herum,
suchen nach einem Bruchstück vom glücklichen Leben und finden es nicht. Sie vergleichen das
Weichbild mit der schönen Aussicht , und die Tatsache, dass es ihr nicht ganz gleicht, macht sie
müde und den Aufenthalt zur rastlosen Passage. Man kennt das ja: zwischen Leitplanken
hupend ins Gewerbegebiet, Parkraumcluster vor dem Schnellrestaurant, Menüs mit Kronen aus
Papier die man sich aufsetzt, ohne doch wirklich ein König zu sein. Ungeheuerlich ist dieser
Zustand: weil das Monströse das in in ihm haust, darin besteht, dass es sich täglich wiederholt
und sich im schleichenden Abrieb unsichtbar macht. Wie die Sporen eines Pilzes legt sich ein
unwirtlicher Raum auf die Gedanken seiner Bewohner und alles Grobe, das in ihm wohnt,
zeichnet sich auf ihre Gesichter zurück.
Nein, diese Landschaft ist nur aus der Ferne schön. Dankbar wird man dann für jede
Abweichung, jede respektwidrige Regung, die in das Arrangement zurückkehrt: Eine Rabe polkt
in einem Autowrack, ein Laternenmast verneigt sich gen Mekka, in der porösen Unterführung
träumt eine Reklameschrift von dort, wo es sich besser lebt. Ein Köter schläft hinter einer
aufgelassenen Heizrohrverkleidung, und in der Ferne wachsen babylonische Türme in einen
Himmel, der auch keinen Rat mehr weiß.
Zwei Wünsche zieht dieses Zwischenzonen auf sich: sie möglichst schnell zur durchqueren, oder
sie zu erkunden. Wer hier sucht, verhält sich wie ein Jäger, ein Sammler, ein Mann der gräbt: Er
sondiert das Terrain mit wachsamen Auge, sein Blick ist ein Schneiden und sein Herz eine Uhr.
Er gräbt sich mit suchendem Spatenstich ins Erdreich voran. Der Aushub, den er neben sich
türmt, spült Scherben und Bruchstücke frei, die zusammengesetzt zum Mosaik eine Landschaft
in den Zustand ihrer Entstehung zurückdenken lassen, als alles noch offen war. Was sich Heimat
nennt, wird sichtbar als unbehauster Raum: eine Landschaft nach der Natur, nomadisch bis in die
Architektur.
Man darf sich die Arbeitsweise von Uros Djurovic getrost als die eines Forschers in solcher
Landschaft vorstellen. Katastrophische ist in diesen Arbeiten immer schon da, es legt sich
heimlich über diese Bilder wie Abgasruß – nicht als Effekt, sondern als Tatsache. Etwa die
Figuren: Immer scheint eine archaische Anspannung in ihren Haltungen und Absichten zu liegen,
als seien sie auf dem Sprung, auf der Jagd, auf Unberechenbares eingestellt, und sei es das
eigene Selbst. Man weiß allerdings nicht recht: Springen sie, die Figuren, hängen ihre Körper an
verborgenen Seilen? Djurovic friert ihre Bewegungen ein, macht sie zum Filmstill. Befremdliches
wird erst in der artifiziellen Verlangsamung sichtbar, so sehr ist man daran gewöhnt, das, was
einen umgibt, als zweite Natur hinzunehmen.
Djurovics Bilder bieten keine Natur: Sie sind roh, aber keinesfalls ungeschliffen. In ihnen
dokumentiert sich ein Arbeitsprozeß, der durch verschiedene Medien und ihren je eigenen
Beobachtungsweisen gegangen ist. Als fotografische Sicht und Filmsequenz, als Präzision der
Zeichnung oder als Schnitt im Holz, der keinen Fehler verzeiht. Jedes dieser Medien schreibt
Eigengesetzliches in das Bild ein, die wechselseitige Transkription hinterlässt Ablagerungen.
Die Fundobjekte allerdings,  darauf  insistieren Djurovics Arbeiten,  sind nicht  aus den
Zusammenhängen und Schichten herauszulösen, in denen sie eingelagert waren, ebensowenig
wie sie zu trennen sind von der Blickrichtung ihres Finders und seinen Instrumenten. Auf diese
Weise reflektiert sich das Körperliche der Bilder im Arbeitsprozeß selbst: als Kärnerarbeit,
Augenarbeit, Arbeit am Material und am Medium, als handwerkliche Tradition – frei von jeglicher
Überanstrengung des Begriffs.

von Alexander Heinrich
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