Gottfried Honegger

Gottfried Honegger verbringt seine frühe Kindheit im Haus der Grosseltern in Sent, Unterengadin. 1932–33 Besuch der Kunstgewerbeschule Zürich. 1933–36 Lehre als Schaufensterdekorateur. 1938 Gründung eines Ateliers für Grafik, Dekoration und Fotografie, zusammen mit der Künstlerin und Grafikerin Warja Lavater seiner späteren Ehefrau. Als Gestalter von Signeten, Plakaten, amtlicher Grafik und Buchillustrationen tätig; spezialisiert sich erfolgreich auf die Gestaltung von Ausstellungen, unter anderem für die Abteilung Wirtschaft der Schweizerischen Landesausstellung 1939 in Zürich; für die Wanderausstellung Mehr anbauen oder hungern, 1941; 1848–1948. Vom Staatenbund zum Bundesstaat, Helmhaus Zürich, 1948; Kunstform und Naturform, Kunsthalle Basel, 1958. Prägt als Grafiker, Dozent, Publizist und Mitherausgeber von Fachzeitschriften das moderne Schweizer Grafikdesign mit. 1958–1960 wohnhaft in New York, Kontakte zu führenden Avantgardekreisen um Al Held, Sam Francis, Mark Rothko. 1960 Rückkehr in die Schweiz, in Zürich und Paris ansässig und hauptberuflich als freier Künstler tätig. Seit 1970 intensive Auseinandersetzung mit Kunst im öffentlichen Raum. Zahlreiche Aufträge für Platzgestaltungen, Glasfenster, Wandreliefs und Plastiken, vor allem in Frankreich (Dijon, Grenoble, Nancy, Nevers, Paris), Deutschland (Braunschweig, Herford), den USA und der Schweiz (Chur, Genf, Maloja, Zürich); ausgedehnte Ausstellungstätigkeit in Europa und in den USA. 1987 Mitbegründer der Stiftung für konstruktive und konkrete Kunst Zürich. 1990 Mitbegründer des Espace de l’Art Concret in Mouans-Sartoux, Südfrankreich, zusammen mit Sybil Albers; Konzipierung von Ausstellungen und Veranstaltungen, engagierte kunstvermittelnde und -pädagogische Tätigkeit. 1985 Ehrung als Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres, Frankreich; 1987 Kunstpreis der Stadt Zürich; 1996 Ehrung als Commandeur des Arts et des Lettres. 1998 verlegt Gottfried Honegger seinen Hauptwohnsitz von Paris nach Cannes, 2005 Rückkehr nach Zürich. Im 2004 Schenkung der öffentlich zugänglichen Sammlung Albers-Honegger in Mouans-Sartoux an den französischen Staat. 2007 Ausstelllungen zum 90. Geburtstag an der ETH Zürich, im Haus Konstruktiv, Zürich, sowie im Museum Liner in Appenzell.

Honeggers Œuvre entwickelt sich über umfangreiche Werkphasen, die spezifische Themen formulieren: Tableau-Relief, Biseautage (Tafelbilder), Volume, Monoforme, Structure, Fragment (Plastiken), Tableau-Espace und Artefakt (Wandobjekte). Honegger verbindet das rationale Prinzip der konstruktiven Kunst, etwa Logik und Systematik, mit den nicht berechenbaren Komponenten von Einfühlung und Spontaneität sowie der Zufallsmethodik. Als Hauptthemen seines Werkes können die Synthese der Gegensätze, die Untersuchung der Farbe (vorwiegend innerhalb der Monochromie), der Figur und ihrer Fragmente (Kreis und Quadrat) und die Formulierung von Volumen und Raum zusammengefasst werden.

Das malerische Hauptwerk setzt in den 1950er-Jahren mit einer organisch geprägten Abstraktion ein (Sent, 1954), die um 1957 zunehmend geometrisiert wird. Unter dem Titel Tableau-Relief entsteht bis heute der zentrale malerische Zyklus von meist monochromen, seltener mehrfarbigen, oft auch mehrteiligen Bildobjekten. Bis um 1980 bevorzugt Honegger dafür das Verfahren der Collagetechnik; die lebendige Faktur sowie der zarte Reliefcharakter der Bildobjekte kommen durch manuell auf die Leinwand applizierte Kartonplättchen zustande, die in mehreren lasierenden Schichten bemalt oder mit Grafitstift behandelt werden, wodurch eine stark lichtreflektierende, ausgeprägt malerisch-sensuelle Oberfläche erzielt wird (Tunika, 1960, Collage und Öl auf Leinwand, Sammlung Jack Waser, Zürich). In den 1980er-Jahren vertieft sich Honegger in die Untersuchung des Spannungsfeldes zwischen regelmässigem Kompositionsraster und sogenannter Restfläche; ein ausgeprägteres Relief sowie die Erweiterung der Farbpalette um zahlreiche ungewohnte Zwischentöne sind die Charakteristika. In den 1990er-Jahren, bei gleichbleibender Thematisierung von Kreis- und Quadratform, Ausrichtung auf eine neue Bildsprache. Diese neue Folge der Tableaux-Reliefs umfasst seitdem grossformatige, neutral gemalte zweiteilige Bildobjekte vom Typus des Shaped Canvas, in denen in der Regel ein Kreis- und ein Quadratausschnitt aneinanderstossen (unter anderem der Reutlinger Werkzyklus, 1991–92).

Das plastische Werk ist ausgeprägt systematisch und konstruktiv ausgerichtet; es gründet analog zur Malerei auf einzelnen Themenkreisen und steht fast ausschliesslich im Kontext von Kunst und Öffentlichkeit beziehungsweise Kunst am Bau. Diese Aufgabe wird von Honegger so definiert, dass sie sowohl ästhetischen als auch sozialen Anforderungen zu genügen und der Idee der «Ökologie des Schönen» zu folgen habe. In den 1960er Jahren vorwiegend Wandreliefs in Beton (zum Beispiel Wandrelief, 1968, Schulhaus Villmergen), seit den 1970er-Jahren vermehrt vollplastische Arbeiten, meist in einem regulären System aus mehreren Formsegmenten zusammengesetzt. Vorliebe für Chromstahl und Stein (Granit, Marmor), wobei dieser oft in Kombination von polierten und unpolierten Oberflächen zur Wirkung gebracht wird, seltener Herstellung in Aluminium oder Messing. Von 1968 bis um 1978 intensive Auseinandersetzung mit der Kugel und dem Kugelsegment, ersichtlich im Zyklus Volume (Volume 19, 1974, Chromstahl, Collège Nevers; Volume 20, 1975, Polyester, Tulsa, Oklahoma, First National Tower). Parallel dazu Beschäftigung mit Variationen und Kombinationen von Körperfragmenten auf der Basis eines vorerst regulären Systems unter dem Titel Structure (Structure 3, 1975–76, Stahl, bemalt, Université de Dijon). Dabei wird die mathematische Grundlage durch Formfindungen über die Zufallsmethode zum Teil ersetzt beziehungsweise ergänzt (Structure 2, Chromstahl und Beton, 1972, Zürich, ETH Hönggerberg, Alfred-Altherr-Terrasse), wie sie desgleichen in Malerei und Zeichnung Anwendung findet. Seit den 1980er-Jahren basiert der Aufbau im Plastikzyklus Monoforme auf einer einzelnen Form respektive einem einzelnen Segment über Schichtungen und Drehungen (Monoforme 27, Hommage an die Zahl 2, 1990–91, Granit, Adliswil-Zürich, Swiss Re); in der Werkfolge Division, ab etwa 1988, beruht das zentrale Thema auf der Teilung, die sowohl die Konstruktion als auch oft die Oberflächen bestimmt. In den 1990er-Jahren verbindet Honegger die Plastik mit der Farbe; dadurch und durch das gemeinsame Formenspektrum Annäherung an die Werkgruppe der Tableaux-Espaces. Diese grossformatigen, in der Regel vertikal angeordneten, sowohl ein- als auch mehrteiligen Wandobjekte basieren auf manchmal einfachen, manchmal komplizierten Formkombinationen und bilden das Bindeglied zwischen dem malerischen und dem freiplastischen Werk.

Ausser mit dem Bild- und Wandobjekt sowie der freistehenden Plastik setzt sich Honegger auch mit der Zeichnung und vor allem der Druckgrafik auseinander: Vorliebe für ungewöhnliche Druckverfahren, für die Herausgabe von Mappenwerken, Serien und Einzelblättern in bewusst kleinen Auflagen. Hinzu kommen die Gestaltung von spielerischen Lehrmitteln (Legespiele, Videos) für den pädagogischen Unterricht sowie die Ausstellungskonzeption, die Publizistik und die Kunstvermittlung. Somit manifestiert sich Honeggers künstlerisches und soziales Interesse in einem vielfältigen praktischen und theoretischen Arbeitsfeld; es baut zwar auf periodischen thematischen Wechseln, aber steten gesamtheitlich gedachten Querbezügen innerhalb der Medien und Aktivitäten auf.

Werke: Adliswil-Zürich, Swiss Re, Monoforme 27, Hommage an die Zahl 2, 1990–91, Granit; Braunschweig, Landeszentralbank Niedersachsen, Stele, 1986, Chromstahl; Université de Dijon, Structure 3, 1975–76, Stahl, bemalt; Genf, Collège Voltaire, Volume 21, 1975, Chromstahl; Musée de Grenoble; Grenoble, Monoforme 26, 1988, Stahl, bemalt; Lille, Jardin botanique, Non loin des pôles, 1985, Stahl, bemalt, Beton; Maloja, Krone der Hochwasser-Rückhaltemauer, Culur, 1997, 9 Metallsäulen, bemalt; Mouans-Sartoux, Espace de l’Art Concret; Collège Nevers (F), Volume 19, 1974, Chromstahl; Nevers, Cathédrale de St-Cyr, Glasfenster, 1983; Paris, Musée national d’art moderne, Centre Georges Pompidou; Reutlingen, Stiftung für konkrete Kunst; Santa Cruz, Teneriffa, Enero, Structure 4, Hommage à Pascal, 1974, Beton; Toulon, Parc de Mourillon, Monoforme 6, 1982, Stahl; Tulsa (USA), First National Tower, Volume 20, 1975, Polyester; Schulhaus Vilmergen, Wandrelief, 1968; Kunsthaus Zürich; Zürich, ETH Hönggerberg, Alfred-Altherr-Terrasse, Structure 2, 1972, Chromstahl, Beton; Zürich, Bahnhof Stettbach, Wandgestaltung, 1990; Zürich, Universität Irchel; Zürich, Waidspital, Zellteilung, 1953, Wandrelief, weisser Zement.

(Quelle: SIK ISEA)

Einzelausstellungen

1984: Bilder und Skulpturen aus verschiedenen Jahren. Kunsthaus Zug

1986: Installation einer Skulptur in einem öffentlichen Park in Seoul, Südkorea 

1987: Glasfenster in der Kathedrale von Nevers

1989: Skulptur: 200 Jahre Französische Revolution, Grenoble

1989: Werk für die Grande Arche in der Défense, Paris 

1990: Cercle er Carré in der Galerie D. van der Koelen, Mainz 

1992: Retrospektive. Stiftung für Konkrete Kunst, Reutlingen

1997: Werk-Imstallation auf der Staumauer in Salecina, Maloja

1997: Vom Bild zum Raum, anlässlich seines 80. Geburtstages, Galerie Dorothea van der Koelen, Mainz 

1999: Métamorphose. Fondation Cartier, Paris

2000: Schenkung der Sammlung Albers-Honegger an den französischen Staat im Depot im Espace de l'Art Concret, Mouans-Sartoux 

2001: Sam Francis - Gottfried Honegger, Espace de l'Art Concret, Mouans-Sartoux

2001: Trotzallem. Eine Rückschau. Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz

2001: Ausstellung im Centre d'art contemporain Boucert Ladubay, Saumur

2003: Ausstellung in La Galleria van der Koelen, Venedig 

2004: Farbige Metall-Stelen. Museum Tinguely, Basel

2004: Ausstellung im La Verrière, Hermès, Brüssel 

2006: Skulpturen-Ausstellung im Park des Palais Royal, Paris, intiiert durch Kulturminister Renaud Donnedieu de Vabres

2006: Installation einer Skulptur im Autokreisel Hohenems, gespendet von Wilhelm Otten 

2007: Haus Konstruktiv, Zürich. Retrospektive.?2007: Arbeiten im öffentlichen Raum. ETH Zürich

2007: Geheimnis der Geometrie. Museum Liner Appenzell

2008: Ausstellung in der Grotta di Cultura, zusammen mit Mema Margadant 

2009/2010: Kunst als gesellschaftlicher Auftrag. Otten Kunstraum, Hohenems

2009 Ausstellungen u.a. in Otten Kunstraum, Paris, Galerie Lahumière, Galerie La Ligne

2010: Ausstellungen u.a. in Graz, Galerie Leohnard, Freiburg i.B., Skulpturenhalle der Stiftung für konkrete Kunst Roland Phelps, Wien, Galerie artmark, Rennes, Galerie Nathalie Clouard, Galerie Croix-Bragnon, Toulouse

2012: Plastik beim Parkhaus Opéra, Bellevueplatz, Zürich 

2015 Peintre en Séries, Centre Pompidou, Paris. Galerie Römerapotheke Zurich;

2015 Stiftung Schönthal

2015 Konkret jetzt, Löwenbräu Zürich

2016 Les dessins de Gottfried Honegger, Galerie Römerapotheke, Zürich (CH)

2017 Der Zufall hat es gut gemeint. Max Frisch und Gottfried Honegger. ETH Bibliothek, Zürich (CH)

2017 Sonderausstellung "100 Jahre Gottfried Honegger" Dolder Bad, Zürich (CH)

2017 Konkret: Honegger. Galerie Römerapotheke, Zürich (CH) 

 

Gruppenausstellungen

Sammlungen:

Collection Clavien, Zürich. Swiss Re/HQ Zürich, Braunschweig. Landeszentralbank Niedersachsen. Université de Dijon. Genf, Collège Voltaire. Musée de Grenoble, Grenoble. Lille, Jardin botanique. Maloja, Krone der Hochwasser-Rückhaltemauer, Culur, 1997. Mouans-Sartoux, Espace de l’Art Concret; Collège Nevers (F). Nevers, Cathédrale de St-Cyr, Glasfenster. Paris, Musée national d’art moderne, Centre Georges Pompidou; Reutlingen, Stiftung für konkrete Kunst; Santa Cruz, Teneriffa, Enero. Toulon, Parc de Mourillon. Tulsa (USA), First National Tower. Schulhaus Vilmergen. Kunsthaus Zürich; Zürich. ETH Hönggerberg, Alfred-Altherr-Terrasse, Zürich. Bahnhof Stettbach, Zürich. Universität Irchel, Zürich. Waidspital, Zürich. Hilti Art Foundation. Dubach/Keller Collection, Küsnacht. Widmer Collection. Wilhelm Otten Collection. Rey Collection, Wettingen.  James Tayler Collection, Tallahassee. Collection Kanton Zürich. HR Wyss Collection, Wyoming. Cathedrale Liège/vitraux. Cathedrale Chatres/vitraux.

 

Preise und Auszeichnungen

Preis für bildende Kunst der Stadt Zürich, 1987

Medaille des Chevalier des Arts et des Lettres, 1985

"Carnegie International Pittsburgh Bovard Purchase Prize", 1967

Schweizer Plakate des Jahres, 1951

Schweizer Plakate des Jahres, 1948

 

Publikationen

Gottfried Honegger: Sous la direction de Christian Briend. Centre Pompidou. ISBN: 9-782849-75370-5
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