Caro Suerkemper

»Nach was trachtet eigentlich ..
»Nach was trachtet eigentlich ein betrachtetes Objekt?«, fragte Caro Suerkemper
2002 in einem Interview. Auch die Protagonistinnen ihrer Bilder stellen diese
Frage: Sie verwickeln den Betrachter in Gedanken über das Wechselspiel von
Wahrnehmen und Begehren, Verführung und Gefügigkeit, Lust und Kontrolle, Macht und
Ohnmacht. Caro Suerkemper kleidet ihr bohrendes Interesse an Differenzen in
optische Reize und schillernde Farben; die Selbstdarstellung ihrer Figuren
unterläuft sie mit skurriler Überzeichnung. Dabei nimmt die Komik den Bildern
keineswegs ihre konfrontative Energie, sondern erhöht ihr Irritationspotenzial.

Caro Suerkemper rückt fast ausnahmslos Frauen ins Rampenlicht ihrer kleinen
Aquarelle und Gouachen. Ob in Trachten gekleidet oder in bizarren Lust- und
Fesselspielen entblößt – viele dieser Figuren scheinen in Zwänge verstrickt. Die
Uniformierung durch eng geschnürte Trachtenmieder ist die Kehrseite freizügiger
Bondage-Rituale: Züchtige und verruchte Bildwelten spiegeln gleichermaßen reale
Ordnungen und Konventionen. Sie kollidieren mit Suerkempers Darstellungsweise, die
der Farbe ein leuchtendes Eigenleben gestattet. Wasserfarben umgeben die Figuren
mit fließenden Stimmungsräumen, sie lösen Konturen auf und zerfasern als sparsam
auf das Weiß des Papiers gesetzte Inseln motivische Zusammenhänge: Die Farbe
befreit sich von der Funktion des Bezeichnens.

So bleiben viele Bildszenen im Mehrdeutig-Ungefähren. Caro Suerkemper zieht es
vor, Geschichten nur anzudeuten, sie sucht den Schwebezustand mit ungewissem
Ausgang. Ihre Werke verknüpfen die losen Enden möglicher Handlungsstränge zu
dichten Momentaufnahmen, die durch eine suggestive Ausleuchtung oft an
Schnappschüsse oder Standbilder aus Filmen erinnern. Die Nähe zu Fotografie und
Kino offenbart, dass Suerkempers Motive weniger Erfindungen als Fundstücke sind.
Ihr Rohmaterial wählt die Künstlerin aus dem unerschöpflichen Bilderreservoir, das
Bücher, Zeitschriften und Internet für jeden bereitstellen. Einige der Motive
halten dem analytischen Blick Caro Suerkempers stand und durchlaufen einen Prozess
der Übertragung und Anverwandlung, der über teils winzige Bleistiftzeichnungen zu
Aquarellen und Gouachen führt. Auf dem Weg vom fremden zum eigenen Bild werden die
alten Kontexte abgestreift. Für neue braucht es den Betrachter.

Karsten Müller
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